Frauen in der Musik einst und heute
Meine letzten Blog- Beiträge haben sich mit dem Leben und Werk von komponierenden Frauen auseinandergesetzt.
Was all diese Frauen gemeinsam haben ist ein starker Wille sich über die jeweiligen Gesellschaftsnormen hinwegzusetzen und ihren ganz eigenen Weg zu gehen.
Egal in welche Epoche der Geschichte wir schauen erwartete die musizierende Frau Widerstände, Vorurteile und Hindernisse.
Schon im alten Griechenland wurden Musikerinnen oftmals mit den Prostituierten gleichgesetzt. Dieses Vorurteil, dass Musik und Prostitution Hand in Hand gehen hielt sich hartnäckig bis ins 18. Jahrhundert hinein.
Musikerinnen brauchten sehr viel Glück ihr Leben mit ihrer Kunst bestreiten zu können und sie mussten im richtigen Umfeld aufzuwachsen. Die meisten wurden in Musikerfamilien gross-> Blogbeitrag vom 4.3.3021 Elisabeth Jaquet de la Guerre, -> Blogbeitrag 18.3.2021 Luise Reichhardt oder gehörten oftmals dem Adel an,-> Blogbeitrag vom 11.3.2021 Wilhelmine von Preussen wo Musik zur Allgemeinbildung gehörte. Im frühen Mittelalter konnten bürgerliche Mädchen und Frauen eigentlich fast ausschliesslich über die Klöster eine Ausbildung im Allgemeinen, aber auch speziell in der Musik bekommen. ->Blog vom 19.2.2021 Hildegard von Bingen
Frauenbewegung
Wie kommt es also, dass wir heute fast genauso viele Musikerinnen wie Musiker haben, die nun eine sehr gute Ausbildung geniessen und von ihrem Beruf leben können(vorausgesetzt es ist keine Pandemie wie zur Zeit)?
Ich denke, dass der Anfang in der Frauenrechtsbewegung liegt. Die Geschichte der Frauenrechtsbewegung wird ganz grob in drei Wellen eingeteilt:
Der erste Welle beginnt mit Olymp de Gauges und setzt sich fort mit der Frauenrechtsbewegung in Europa, dazu gleich mehr im nächsten Abschnitt.
In der zweiten Welle der Frauenrechtsbewegung kämpften die Frauen ab den 1960er Jahr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gegen die Diskriminierung von Müttern und für ihre Selbstbestimmungsrechte, wenn es Beispielsweise um Abtreibung geht. In der Zeit werden auch die ersten Frauenhäuser aufgebaut. Themen wie Gewalt in der Ehe werden rücken aus der Tabuzone heraus. Gewalt in der Ehe war schon immer ein Thema.-> Blog vom 26.3.2021 Johanna Kinkel.
Und die dritte Welle der Frauenrechtsbewegung beginnt in den 1990er Jahren und ist einerseits eine Fortsetzung der Forderungen der zweiten Welle bis heute, aber auch eine Antwort auf alle die meinen, dass die Frauen ihre Gleichberechtigung doch längst erreicht hätten und der Feminismus überholt sei. Solange es nach wie vor Gewalt in der Ehe, Femizide, Gender-Pay-Gap gibt, gehen die Themen für die es sich zu kämpfen lohnt nicht aus, aber das nur so am Rande.
Zurück zur ersten Welle:
Den ersten Vorstoss, was die Rechte der Frau anbelangen wurde bereits 1791 von Olymp de Gouges gemacht, die eine Schrift verfasste "Déclaration de la Femme et de la Citoyenne" worin sie die gleichen Rechte und Pflichten für Frauen, wie für Männer einforderte. Zu der Zeit waren die Aussagen über Menschen- und Bürgerrechte nur auf die Männer bezogen.
Später im zweiten Teil der "Frauenrechtsgeschichte" oder der ersten Welle der Frauenbewegung, ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert kämpften die Frauen für das Wahlrecht, welches die Frauen hier in Deutschland bereits 1918 erhielten. Die Schweizerinnen mussten viel länger warten. Bis alle Kantone das Wahlrecht für die Frauen zuliessen dauerte es bis Anfang der 1990er Jahre. Eine, die sich der Frauenbewegung in England angeschlossen hat war ->Ethel Smyth, Blog vom 1.4.2021
Weitere Forderungen der Frauen waren das Recht auf Arbeit und Bildung.
Frauen waren lange Zeit vom Geld verdienen und dem Erlernen eines richtigen Berufes ausgeschlossen. Bis 1958 war es dem Ehemann in Deutschland gestattet das Dienstverhältnis seiner Frau zu kündigen und es war selbstverständlich, dass der Ehemann das Geld in der Ehe verwaltete.
Lange durften Frauen an keiner Universität oder Musikhochschule studieren. Hier bildet lustigerweise die Schweiz eine Ausnahme: Dort war es Frauen viel früher möglich zu studieren, nämlich bereits ab 1840. Was also beim Wahlrecht nicht klappte, funktionierte für das Studium.
In Paris wurde 1795 das Conservatoire de la Musique gegründet und auch für Frauen geöffnet, so dass es Frauen möglich wurde Musik zu studieren und zwar alle Fächer! Seit dem 17.Jahrhundert war es das erste Mal, dass die Frauen dazu die Möglichkeit erhielten!
Trotzdem galten nicht alle Instrumente für Frauen als schicklich. Es war verpönt als Frau Blas- und Schlaginstrumente zu spielen. Das hat sich bis heute zum Glück geändert und Frauen können jedes Instrument lernen und spielen, das ihnen zusagt.
Je mehr Rechte sich die Frauen eroberten, umso einfacher wurde es auch für die Musikerinnen anerkannt und wahrgenommen zu werden. Trotzdem war die Anzahl von Musikerinnen in Orchestern lange Zeit sehr niedrig.
Die Wiener Philharmoniker nehmen erst seit 1997 Frauen in ihr Orchester auf. Bei den Berliner Philharmonikern kam 1982 die erste Frau ins Orchester: Die Geigerin Madeleine Caruzzo. Und als die Klarinettistin Sabine Meyer im selben Jahr engagiert wurde führte das zu einem Eklat. Heute kaum noch vorstellbar.
Gender-Gap
Es ist sowohl in der Gesellschaft als auch in der Musik nach wie vor eine Gender-Gap vorhanden, die sich nur ganz langsam schliesst.
Das fängt bei den oben benannten Orchesterbesetzungen an, wobei sich da vielerorts die Gender-Gap erkennbar schliesst und manche der Meinung sind, dass die Zukunft der Musik weiblich sei, geht über die Lehrstühle an Hochschulen und Universitäten weiter bis hin zu der ungleichen Bezahlung vielerorts. Frauen werden in der Wirtschaft für den gleichen Beruf im Durchschnitt immer noch rund 21% weniger Lohn bezahlt. Natürlich gibt es Regional sehr grosse Unterschiede. So ist der Lohnunterschied im gleichen Beruf bei gleicher Arbeitszeit bei Mann und Frau in den neuen Bundesländern bei ungefähr 8% während er in den alten Bundesländern bei 23% Unterschied ist.
Was lobend zu erwähnen ist, ist dass Frauen und Männer in Orchestern und in Profichören gleich bezahlt werden; hier finden wir also keine Gender-Pay-Gap!
Anders sieht es bei der Wahrnehmung von Musikerinnen aus:
Viele Frauen in der Musik werden immer noch vor allem auf ihr Aussehen reduziert. Gerade Dirigentinnen bekommen das oft zu spüren. So konnte man zum Bespiel in "Die Welt" die Überschrift lesen: "Stiletto-Pumps für Sydney-Opera" als die Dirigentin Simone Young dort ihr Antrittskonzert gab. Würde man etwas ähnliches über einen Mann schreiben? Auf einen Mann bezogen sind mir solche Schlagzeilen eher nicht begegnet. Ich glaube einzig Sir Simon Rattle hatte mal im Bezug auf seine Wuschelhaare eine ähnliche Schlagzeile.
Das finde ich dahingehend problematisch, dass nicht die Interpretationsleistung der Dirigentinnen im Vordergrund steht, sondern das Interesse am Aussehen dieser Frauen.
So erging es auch vielen Komponistinnen. Ihre Werke wurden von den Männern entweder ignoriert oder von der Kritikern als "zu weiblich" oder "zu männlich" begutachtet. Selten wurden die Werke von Frauen objektiv beurteilt und im Bezug auf Orchestrierung, Harmonik, Dynamiken etc. untersucht und darüber berichtet.
Auch von Solistinnen wird ein hübsches Aussehen eher erwartet als von Solisten. Für Marketingzwecke verkaufen sich Frauen, die in der heutigen, visualisierten Gesellschaft als "schön" wahrgenommen werden offensichtlich besser. Ich glaube, heute hätte es eine Monserrat Caballe mit ihrer Körperfülle trotz phänomenaler Stimme wesentlich schwerer eine gleichwertige Karriere zu machen wie sie es in ihrer Zeit gemacht hat.
Und wieder kann ich der Dirigentin Nadine Boulanger oder der Komponistin Ethel Smyth nur zustimmen, dass es schön wäre, wenn man nicht nur als Frau wahrgenommen würde, sondern als Interpretin oder eben Komponistin. In der Musik geht es doch um viel mehr als nur um das Aussehen. Es geht doch darum eine ganz persönliche Interpretation und Botschaft zu vermitteln. Musik ermöglicht uns auf einer ganz anderen Ebene als Mensch zu kommunizieren und dessen sollten wir uns viel mehr bewusst werden.
Fazit
Die Musikwissenschaft setzt sich seit einigen Jahren intensiv mit Frauen in der Musikgeschichte auseinander. In Deutschland haben Musikwissenschaftlerinnen wie Eva Rieger und Eva Weissweiler einen grossen Beitrag geleistet, dass der Fokus auch etwas mehr auf die Frauen in der Musikgeschichte rückt. Trotz aller Bemühungen, Büchern und Schriften, die zu diesem Thema verfasst wurden hat sich bis heute im Musikleben wenig geändert.
Im Vorwort zur zweiten Auflage ihres Buches über die weibliche Musikgeschichte 1999 schreibt Weissweiler:
„Die Ausgrenzung der historischen Komponistinnen aus dem Konzertrepertoire [ist 1999] seit dem ersten Erscheinen dieses Buches [1981] fast genauso konstant geblieben, wie die verblüffende Unkenntnis vieler Fachleute."
Das erscheint mir recht ernüchternd.
Trotzdem ist es meines Erachtens wichtig, dass wir weiter auch die Geschichte von musizierenden, komponierenden Frauen beleuchten, als Musiker:innen Werke von Komponistinnen in unser Repertoire aufnehmen und aufführen.
Nur so können wir das Interesse unsere Zuhörer, unsers Publikums wecken und ihnen einen weiteren, sehr spannenden Teil unserer interessanten Geschichte mitgeben und vielleicht sogar unseren Beitrag zur Schliessung einer Gender-Gap leisten auf lange Sicht.
Quelle: YouTube; Lili Boulanger
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