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Burgdorf, Schweiz

Musikergesundheit Teil 2- Musik und Muskeln



Letzte Woche habe ich Euch erzählt wie ich zu meinem Lieblingssport gefunden habe. Heute möchte ich Euch erklären was die Muskeln und deren Funktion mit gutem Üben zu tun haben und mit dem Leben als Sänger:in und Musiker:in. Ich möchte betonen, dass ich weder eine medizinische Abhandlung über Muskeln machen möchte, noch irgend jemandem vorschreiben möchte, was für sie/ihn gutes Üben zu sein hat. Es sind lediglich Erfahrungswerte, die ich hier einbringen und teilen möchte, als Information und Anregung.

Über Eure Erfahrungen und Rückmeldungen freue ich mich sehr!

Gegen Ende des Beitrags verrate ich Euch meine persönliche Übungsroutine.


Wie funktionieren unsere Muskeln?


Unser Körper ist ein Wunderwerk. Wir bemerken dies oft erst, wenn es fast zu spät ist.

Für unsere Haltung und Bewegungen sind unzählige Muskeln im feinen Zusammenspiel zuständig.

Unsere Muskeln geben uns unsere Körperform, sind unsere wichtigsten Energieverbraucher, sie regulieren und stimulieren unseren Kreislauf. Muskeln regulieren unsere Körpertemperatur als Wärmeproduzent. Unser Muskelzustand beeinflusst unser Wohlbefinden. Unser psychischer Zustand wird von unserem Muskeltonus stark beeinflusst. Leider nimmt unsere Muskelmasse bei Frauen schon ab 30 und bei Männern ab etwa 40 ab. Dies bedeutet für uns, dass wir ein Leben lang daran arbeiten sollten unsere Muskeln zu erhalten und zu stärken.

Durch die Muskeln können wir uns bewegen und musizieren.

Gerade wenn wir ein Instrument spielen sind beim Musizieren nicht nur das Gehör und unsere Emotionen beteiligt, sondern auch viele Muskeln, die teilweise sehr schnelle, präzise Mikrobewegungen ausführen. Die Bewegung geschieht dadurch, dass sich eine Muskelgruppe, oder auch mehrere zusammenziehen, während sich ihre Gegenspieler gleichzeitig strecken. Dazu sollte man wissen, dass der Muskel aus unzähligen Muskelfaserbündeln besteht, die für eine motorische Einheit zuständig sind. Ein Faserbündel besteht aus ca. 1 Million Fasern. In den Muskelfasern laufen komplexe Stoffwechselprozesse ab. Aus dem Blut werden die Muskelfasern über Kapillaren mit Sauerstoff versorgt. Jeder Muskel ist mit Nerven versorgt und von Bindegewebe umhüllt.


Was geschieht bei immer gleichen Bewegungsabläufen?


Beim Üben eines Instruments werden die immer wieder gleichen Bewegungsabläufe ausgeführt, einerseits um die Technik zu verfeinern und perfektionieren, anderseits um unser Körpergedächtnis zu trainieren. Das heisst die immer gleichen Muskeln sind an den Abläufen beteiligt und kontrahieren. Wenn wir also über viele Stunden ohne Pause üben, kontrahiert der immer gleiche Muskel. Das führt zur Ermüdung der Muskelfasern. Je müder ein Muskel bei der Kontraktion ist, umso unelastischer wird er und umsogrösser der Kraftaufwand um sich erneut zusammen zu ziehen. Ein Teufelskreis beginnt.


Bei den Muskelfasern gilt das alles oder nichts Prinzip:

Es geschieht also immer eine maximale Kontraktion der Muskelfasern. Wenn wir Bewegungen leicht machen kontrahieren nicht alle Muskelfasern in einem Muskelbündel gleichzeitig, bei grossem Gewicht hingegen schon. Prinzipiell lässt sich sagen je feinmotorischer die Bewegung ist, umso weniger Muskelfasern gehören dann zu einer motorischen Einheit.

Als Vergleich: Bei gewissen Rückenmuskeln gehören rund 2000 Muskelfasern zur motorischen Einheit; bei den Fingermuskeln sind es nur noch zwischen 8-50 Muskelfasern. Wenn mehr als 15% der Muskelfasern kontrahieren, die Belastung also grösser ist, werden die feinen Kapillaren zusammengedrückt und die Fasern dadurch mit weniger Blut und Sauerstoff versorgt. Für eine optimale Arbeit der Muskeln ist eine Balance von Sauerstoffversorgung und Abtransport von CO2 sehr wichtig.

Schmerz entsteht dann, wenn diese Balance gestört wird.

Wird also ein Muskel ermüdet durch einseitige Belastung, kann Schmerz entstehen. Da die Muskeln an unseren Gelenken befestigt und für deren Beweglichkeit mitverantwortlich sind, können Gelenkschmerzen entstehen.

Für viele Musiker neuralgische Punkte: Das Schultergelenk, der Nacken und der Rücken.


Körpertypen:


Wir unterscheiden grob drei verschiedene Körper Typen:


Typ 1:

Der steife, wenig bewegliche Typ. Er neigt eher zu Verspannungen der Muskeln, hat aber meistens keine Probleme mit den Gelenken.

Wer zu diesem Typ gehört, sollte mit eher wenig Gewichten trainieren, dafür auf die Ausdauer Wert legen und nach dem Training und Üben gut dehnen um die Flexibilität der Muskeln zu erhalten.


Typ 2:

Der hypermobile, also überbewegliche Typ. Hypermobilität zeigt sich am Überstrecken der Gelenke, wenn zum Beispiel die Arme gesteckt werden. Oft gelingt es diesen Menschen mit Leichtigkeit mit den Handflächen den Boden zu berühren bei durchgestreckten Beinen.

Wer sich diesem Bewegungstyp zuordnet, sollte sich sorgfältig um die Stärkung seiner Muskulatur kümmern. Gestärkte Muskeln schützen sowohl die Funktion des Rückens als auch der Gelenke.


Typ 3:

Ein Mischtyp, der in keiner Fachliteratur vorkommt, dafür aber umso häufiger in der Praxis. Diese Menschen sind einerseits recht kräftig bei gleichzeitiger Beweglichkeit. Wahrscheinlich sind Menschen, die dieser Mischform angehören, selten Patienten bei Orthopäden. Ihnen wird in der Fachliteratur kaum Bedeutung zugemessen.

Für diese Menschen ist es wichtig sich sowohl der Kräftigung als auch der Dehnung zu widmen und ein Gleichgewicht zwischen beiden zu schaffen.


Wichtig ist zu wissen, dass das Verhältnis von Kräftigen und Dehnen sich über ein Leben verändern kann.

Trainierte Musiker haben oftmals weniger körperliche Probleme und wenn sie mal welche haben, gelingt es ihnen häufig diese schneller zu beheben.

Gesundes Üben


Wichtig beim Üben sind Pausen, damit sich die Muskeln erholen können. Die Dauer des Übens ist individuell, ob nun 45 Minuten oder 90 Minuten oder länger, wichtig ist, dass wir dabei genau auf unseren Körper hören.

Auf keinen Fall sollten wir frühe Warnzeichen unseres Körpers ignorieren oder in den Schmerz hinein üben.

Vor dem Üben ist das Aufwärmen der beteiligten Muskeln von Vorteil, vergleichbar mit Sport. Vor Wettkämpfen und Training ist das Aufwärmen für die Athlet:innen sehr wichtig. Ein Sportler würde niemals ohne sich aufzuwärmen mit Training beginnen oder einen Wettkampf bestreiten. Das Aufwärmen sorgt dafür, dass unsere Muskeln optimal mit Blut und somit mit Sauerstoff versorgt sind und dadurch der Stoffwechselprozess in Gang gesetzt wird.

Nach dem Üben lohnt es sich die beanspruchten Muskeln wieder zu lockern und zu dehnen wie nach dem Sport auch.

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass Muskeln dann optimal arbeiten können, wenn sie gut trainiert sind.

Bei Musikern bedeutet dies die Beziehung zwischen der Kraft, der Ausdauer und der Bewegunsschnelligkeit. Gezieltes Krafttraining und das Training der Ausdauer sind wichtige Grundlagen für eine körperliche Leistungssteigerung. Sport leistet auch einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Konzentrationssteigerung.

Beim Musiker steht beim Training die Körperwahrnehmung im Vordergrund. Je besser wir lernen unseren Körper wahrzunehmen, umso besser können wir dies ins Üben übertragen.

Meine Überoutine:


Als Sängerin habe ich gegenüber den Instrumentalist:innen den grossen Vorteil, dass ich mich eingentlich "nur" auf eine gesunde Köperhaltung konzentrieren muss beim Üben und nicht noch auf die Haltung mit einem Instrument.

Es hat viele Vorteile sein Instrument immer dabei zu haben, aber durchaus auch Nachteile:

Ich muss mindestens drei Stunden vor dem Singen wach sein und aufstehen, damit meine Stimme optimal funktionieren kann. Wenn ich also um 9.30Uhr im Gottesdienst zu singen habe, sollte ich spätestens um 6.30Uhr aufstehen. Als Sängerin sollte ich darauf achten, was ich esse und trinke. Dies alles kann direkten Einfluss auf meine Stimme haben. Eine Flasche Rotwein am Abend vor einem Konzert oder einer Aufführung ist für mich keine gute Idee. Mag Sänger:innen geben, denen das nichts ausmacht, mir schon. Genauso wenig wie schweres Essen auf die Nacht. Sodbrennen und Reflux sind bei Sänger: innen gefürchtet, da durch beides die Schleimhäute ganz schön in Mitleidenschaft gezogen werden können. Heiserkeit ist dann oftmals die Folge bis hin zu Stimmbandentzündungen.

Wer uns Sänger:innen und Musiker:innen mit rotem Teppich, Erfolg, Glanz und Glamour in Verbindung bringt, den muss ich leider enttäuschen. Singen und auch Musik machen hat wenig damit zu tun und höchstens Premieren-Feiern kommen diesem Bild etwas nahe.

Die meisten Sänger:innen und Musiker:innen sind auf einen gesunden, ausgeglichenen Lebenswandel angewiesen, damit sie ihre Leistung erbringen können. Natürlich gibt es auch hier wieder die berühmten Ausnahmen, die die Regel bestätigen...;)

Doch zurück zu meiner Übungsroutine!

Vor dem Einsingen mache ich meistens ein paar Lockerungsübungen:

Ich beginne mit meinem Kopf, den ich langsam und sanft im Halbkreis drehe um meinen Nacken zu lockern. Danach gehe ich weiter und kreise meine Schultern, meinen Beckenbereich und schaue, dass meine Knie nicht durchgedrückt sind. Je nach Tagesform absolviere ich noch einige Dehnübungen, bevor ich mit Einsingen anfange.

An Tagen, wo ich merke, dass ich im unteren Rückenbereich und/oder Beckenbereich etwas fest bin, stelle ich mich während des Einsinges auf ein Wackelbrett. Mir hilft das sehr, lockerer zu werden.

Einsingen ist übrigens auch ein ganz gezieltes Aufwärmen der Mikromuskulatur im Kehlkopfbereich.

Wenn ich gut aufgewärmt und Eingesungen bin arbeite ich an der Literatur. Wenn ich fit bin rund 60 Minuten bis 90 Minuten. Danach mache ich immer eine Pause, sei es weil dann Schüler kommen oder weil ich etwas anderes noch erledigen muss (Blog schreiben zum Beispiel ;) ). Manchmal übe ich dann nach ein bis zwei Stunden Pause noch einmal. Meistens nicht mehr ganz so intensiv. Quasi wie ein zwei Phasen Training, das auch Sportler kennen.

Mir hilft dieses zwei Phasen Training sehr meine Konzentration optimal zu nutzen und umzusetzen. Die Literatur setzt sich dadurch besser. Wenn ich an einem Tag lange geübt und viel gesprochen habe summe ich noch eine Weile ganz sanft in tiefer Lage um meine Stimme zu entspannen, quasi wie ein Aussingen.


Bewegung, Üben und auch der Lebensstil sind absolut individuell. Das macht den Austausch mit anderen Musiker:innen sehr spannend. Manchmal bekomme ich dadurch auch Ideen, die ich in meinen Alltag mit einbauen kann.

In meinem nächsten Blogbeitrag werde ich Euch konkrete Übungen zur Stärkung der Muskulatur zeigen.


Übrigens: Eine meiner Lieblingszeitschriften GEO hat sich in einer der letzten Ausgaben mit den Muskeln und den neusten Erkenntnissen über die Muskeln beschäftigt. Wer sein Wissen gerne vertiefen möchte, hier ist der Link zur der Ausgabe: https://shop.geo.de/de_DE/einzelhefte/einzelausgaben/geo-04-2021/2001108.html











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