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Burgdorf, Schweiz
AutorenbildYvonne Friedli

Richard Strauss- Ein Künstlerleben in einer Monarchie, Republik, Diktatur und Demokratie- Teil 2

Aktualisiert: 27. Aug. 2021

Rückblick

Letzte Woche habe ich über ein zeitgenössisches Konzert erzählt und über einen der Gründerväter der heutigen GEMA. Wir haben Richard Strauss als Künstler und Musiker kennen gelernt und ihn durch die Monarchie begleitet, nach Berlin ins Kaiserreich und bis in die Weimarerrepublik.

Nun, im zweiten Teil, werden wir seine Rolle im 3. Reich kennen lernen und ihn bis zu seinem Tod 1949 begleiten...


Die Nationalsozialisten und der 2. Weltkrieg

Als Adolf Hitler 1933 die Macht ergriff bezeichnete Richard Strauss ihn als Verbrecher und Ignoranten. Er hielt die erstarkenden Nationalsozialisten in den späten 1920er Jahre für unkultiviert, ungebildet und marginal. Doch er sollte selber erfahren, was es bedeutet mit dieser Art der Politik in Kontakt zu kommen und welche Tücken es in sich birgt den unpolitischen Künstler auf der einen Seite zu spielen und gleichzeitig eine Beziehung zum neuen Regime zu pflegen zu müssen.

1932 sah es noch so aus, dass das neue Regime eine empfindliche Niederlage erlitt indem es von Juli bis November rund zwei Millionen Stimmen einbüsste und 32 Sitze im Parlament verlor. Viele Menschen glaubten, dass somit der Höhepunkt der neuen, rechtsradikalen Partei überschritten wäre. Leider täuschten sie sich.

Die Unruhen in der Gesellschaft nahmen zu und fanden ihren ersten, traurigen Höhepunkt im Reichstagsbrand 1933, der alles umstürzte. Die Ängste der Menschen wurden von Hitler und seinen Leuten geschickt instrumentalisiert. Wie wir alle wissen wurde die Gesellschaft eingeteilt in Freunde und Feinde. Zu den Feinden gehörten die Linken, Pazifisten, Intellektuelle, Künstler und natürlich die Juden. Also auch Richard Strauss` geliebte Schwiegertochter Alice.

Immer mehr Künstler kamen unter der neuen Regierung in Bedrängnis. Der jüdische Dirigent Bruno Walter wurde 1933 von einer angesetzten Probe mit dem Gewandhausorchester wortwörtlich ausgesperrt. Er war bis dahin ein angesehener Dirigent gewesen.

Fritz Busch, der kein Jude war, aber das Regime öffentlich kritisiert hatte, erlebte in Dresden während einer "Rigoletto" Vorstellung ein Störfeuer, das erst endete, als er den Dirigierstab seinem Kollegen Kurt Striegler übergab. Die Kündigung an Fritz Busch folgte umgehend.

Inzwischen hatte Richard Strauss im Juden Stefan Zweig wieder einen Librettisten gefunden, was ihn optimistischer stimmte und seiner Arbeit Aufschwung verlieh. Keiner der beiden konnte ahnen, was es für ihre künstlerische Beziehung bedeuten würde, als 1933 Adolf Hitler Reichskanzler wurde.

Die Beziehung von Richard Strauss zur neuen Regierung war in den 1930er Jahren sehr komplex und verstrickt. Was feststeht ist, dass Strauss zu Beginn versuchte mit dieser Regierung gleich umzugehen, wie er es vom Umgang mit früheren politischen Autoritäten also den Herzögen, Kaisern, Präsidenten und Kanzlern gewohnt war. Es war ein Kooperieren und sich anpassen. Er hatte bis 1933 immer das Komponieren und seine Kunst über die Politik gestellt. Doch seine bisherige Taktik sich ausserhalb der Politik zu positionieren und deren Strukturen zu nutzen und daraus für seine Kunst Vorteile zu ziehen, sollte mit diesem Regime ungeahnte Konsequenzen nach sich ziehen.

So wurde er mit seinem Handeln durchaus vom Regime ausgenutzt, die sich mit seiner Person international schmücken konnten, als er beispielsweise 1933 für Toscanini, der aus politischem Protest seinen Vertrag gekündigt hatte, in Bayreuth einsprang oder im gleichen Jahr für Bruno Walter die Philharmonie Berlin dirigierte, obwohl er das zu Beginn gar nicht wollte. Auf dem Plakat stand zu lesen "Anstelle von Bruno Walter".

In beiden Fällen spendete er die Gage an die jeweilige Orchster. Doch sein Ruf wurde durch diese Art der Kooperation nachhaltig geschädigt.


Joseph Goebbels übertrug Richard Strauss und Wilhelm Furtwängler das Präsidium der neu gegründeten Reichsmusikkammer, was Strauss und auch Furtwängler annahmen. Sowohl Furtwängler als auch Strauss waren nicht Parteimitglied, aber international anerkannte Künstler, was dem Regime sehr zu passe kam.

Strauss wollte in dieser Position einiges für die Musik und vor allem die musikalische Ausbildung unternehmen und das nicht nur an den Konservatorien. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man die musikalische Ausbildung an den Grund- und Weiterführenden Schulen deutlich verbessert und intensiviert, indem er unter anderem die patriotischen Lieder und Marschgesänge abschaffen wollte, die seines Erachtens nicht stimmgemäss für die Kinder und Jugendlichen wären. Sein Wunsch wäre es auch gewesen das Deutsche Repertoire an den Opernhäusern in Deutschland mehr zu etablieren und die Strukturen der Häuser stärker zu kontrollieren. Auch ein wichtiger Programmpunkt war die Qualität der Musikprogramme im öffentlichen Rundfunk zu verbessern.

Das waren alles schöne, doch realitätsferne Ziele. Das einzige, was Strauss in seiner kurzen Präsidialzeit erwirken konnte, war die Verlängerung der Urheberschutzes.

Er musste schliesslich erkennen, dass er von Goebbels manipuliert und ausgenutzt wurde.

Strauss hatte kein Interesse an ideologischen Themen wie Rasse oder Zensur. Strauss schob die für das Regime wichtigen, politischen Fragen immer in die zweite Reihe der Reichsmusikkammer und nahm so nie selber direkt Stellung. Die hochrangigen Funktionäre um Goebbels herum waren sehr bald von ihm enttäuscht und sahen nur den eigennützigen, engstirnigen Komponisten in ihm. Die Vorwürfe an Richard Strauss, dass er zu wenig mitmische und sich mit Jude und Halbjuden umgeben würde, wurden immer lauter.


Ab 1935 bekam Richard Strauss immer mehr die eigene Ohnmacht gegenüber diesem Regime zu spüren. Wie viele andere Mitbürger*innen konnte auch Strauss zu Beginn des Regimes die Bedeutung der Rassenpolitik nicht in ihrer ganzen Tragweite einordnen. Bis 1935 wurde der Antisemitismus sehr willkürlich durchgesetzt. Nie hätte Richard Strauss geglaubt, dass es seine eigene Familie treffen würde, was auch eine Postkarte zeigt, die er im Mai 1935 an seine Schwiegertochter Alice mit dem Kommentar schickte "Von Goebbels noch nicht verboten". Auf der Vorderseite ist Rembrandts Gemälde "Jakob segnet seine Enkel" zu sehen.

Das änderte sich im Verlaufe des Jahres 1935 radikal: Ehen zwischen Ariern und Juden, also so wie seinem Sohn Alexander und Alice wurden verboten. Alice und ihre beiden Kinder, also Richards Enkel, waren nicht mehr länger Bürger dieses Reiches. Alice wurde in der Öffentlichkeit bespuckt und die Enkelkinder mit Steinen beworfen und ihre Situation sollte sich nach der "Reichskristallnacht" noch weiter verschlimmern.

1935 wurde auch ein Brief von Strauss an den Juden Stefan Zweig abgefangen, in dem sich Strauss ziemlich abschätzig und kritisch zum Regime äussert, was Strauss Entlassung aus dem Präsidium der Musikreichskammer zur Folge hatte und seine Verbindungen in die obersten politischen Ränge kappte. Strauss versuchte in einem unterwürfigen Brief an Hitler sich zu erklären, doch er erhielt nie Antwort darauf.

Richard Strauss lebte nun in ständiger und berechtigter Sorge um seine Schwiegertochter und seine beiden Enkel.

Auch ein klärendes Gespräch mit Goebbels erbrachte nicht den Schutz seiner Familie.


Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges überraschte die wenigsten. Auch der inzwischen 75. jährige Richard Strauss war sich der Unabwendbarkeit dieses Krieges bewusst.

Dieser Krieg sollte alles ändern. Die europäische Kultur, wie sie Richard Strauss kannte in Schutt, Asche und Trümmern legen.

Trotz der Kriegswirren komponierte Strauss unermüdlich weiter, während er gleichzeitig versuchte seine Familie weiter zu schützen. Es entstand Danae und Capriccio unter anderem. Je länger der Krieg dauerte, desto härter trafen Demütigungen auf Ruhm.

Der einzige Ausweg schien 1941 ein Umzug nach Wien zu sein, wo der ansässige GAU-Leiter Baldur von Schirach, gegenüber der Familie Strauss toleranter war und ihnen einen gewissen Schutz zu sagte. Schirach hatte ehrgeizige Pläne, was das kulturelle Leben Wiens anbelangte, so kam ihm Richard Strauss sehr recht. Während er ihm Schutz für Alice und die beiden Enkel zusicherte, tat Strauss alles in seiner Macht stehende die Kultur zu unterstützen.

1943 entschieden sich Strauss und seine Frau nach Garmisch zurück zu kehren.

Doch die Sicherheit war sehr trügerisch.

1944 drang die Gestapo in Wien in das Haus von Alexander und Alice ein und verhafteten diese ohne Grund. Im letzten Moment konnte Alexander seine Söhne 12 und 17 Jahre alt, instruieren, dass sie einen Freund der Familie, Manfred Mauten Markhof, kontaktierten sollten, der Verbindung zu Karl Böhm hatte. Karl Böhm benachrichtigte wiederum den Generalkulturreferenten Schirachs mit dem Resultat, dass wie durch ein Wunder nach zwei Tagen sowohl Alexander als auch Alice wieder zu ihren Kindern zurückkehren konnten. Der Grund der Verhaftung sollten sie nie erfahren.

Gerade Alice wusste durch das Schicksal ihrer in Prag zurückgebliebenen Familie, dass ihr Leben an einem seidenen Faden hing. 26 Verwandte, darunter ihre Grossmutter, Geschwister, Onkel und Tanten wurden vom Regime ermordet.


1944 hätte alleine der 80. Geburtstag des Komponisten Anlass zum feiern geben können, doch die Nationalsozialisten dachten darüber nach alle Feierlichkeiten zu Ehren Strauss zu untersagen. Erst das Einschreiten von Furtwängler, der Strauss zu Recht als einen der bedeutendsten Komponisten seiner Zeit bezeichnete, erbrachte einen Kompromiss.


Je weiter der Krieg voranschritt umso mehr wurde der Untergang der Kultur sichtbar:

1945 wurde die Oper unter den Linden zerstört. 10 Tage später die Dresdner Oper, im März die Wiener Staatsoper. Alles monumentale, geschichtsträchtige Gebäude, die auch eine sehr grosse Rolle in Richards Leben gespielt haben. Es war, als würde auch ein Teil seines Lebens in Schutt und Asche gelegt, als würde die Zeit und Gesellschaft, die er gekannt hatte und in der er sich ausgekannt hatte in Trümmern vor ihm liegen.

Gleichzeitig erhielt Strauss ein Telegramm aus dem Bayrischen Staatsministerium mit der Warnung, dass Alice in naher Zukunft inhaftiert und in ein Lager gebracht werden würde. Nur durch ganz grosses Glück und die Hilfe eines einflussreichen Freundes, der die Papiere von Alice bis zum Ende des Krieges zurückhalten konnte, wurde die Deportation verhindert.


Das Ende des Krieges und die Jahre nach dem Krieg

Am 30. April, dem Tag des Selbstmordes Hitlers, trafen die Amerikanischen Soldaten in Garmisch ein. Sie wandelten alle grossen Villen in Quartiere für die Truppen um. Auch Richard Strauss` Villa sollte eigentlich dazu gehören.

Als der Komponist zu seinem Eingangstor ging, erklärte er den Soldaten "Ich bin Richard Strauss, der Schöpfer von Salome und dem Rosenkavalier." Der Zufall wollte es, dass der Offizier, der im Jeep sass ein grosser Strauss Fan war und bewirken konnte, dass Strauss Villa kein Truppen Quartier werden sollte. Strauss bat die Soldaten dankbar zu sich herein und bewirtete sie mit Wein und etwas zu Essen.

Es folgten viele wohlwollende Besuche von Amerikanischen Soldaten. Ein junger Soldat fragte ihn, ob er nicht Interesse hätte, ein Konzert für Oboe zu schreiben. Strauss antwortete knapp mit "Nein". Doch begann er bald an dem Oboenkonzert zu arbeiten, das im Februar 1946 aufgeführt werden sollte.

Ab Oktober 1945 wohnten Richard und seine Frau Pauline in der Schweiz. Sie hatten mit Sorge dem Winter entgegen geblickt, wo sowohl Heizmaterial als auch Nahrung knapp waren.

Durch Richards Rolle zu Beginn der Diktatur in den frühen 1930er Jahren hatte er ein Entnazifizierungsverfahren am Halse, das er zum Glück in absentia durchlaufen konnte.

Das grössere Problem war, dass seine ganzen Konten durch dieses Verfahren eingefrohren waren und auch die Tantiemen gesperrt waren in dieser Zeit. Finanziell sah es also eher düster aus. Die Währung im Nachkriegsdeutschland war zudem sehr instabil.

In der Schweiz fanden sie in einem Hotel in Baden bei Zürich Unterkunft. Der Musikkritiker Willi Schuh nahm sich ihrer an. Durch den Verkauf von Skizzenbüchern und Manuskripten konnten sie einige Darlehen und Einkünfte erlangen.

Ab und zu besuchte Strauss Willi in Zürich. Bei einem dieser Besuche zeigte Schuh Strauss die Autobiographie "Erinnerungen und Briefe" von Alma Mahler.

In diesem Buch hat Alma Maler sehr viele Tatsachen verdreht und nicht daran gespart Richard Strauss und vor allem seine Frau schlecht zu machen. Gar nicht erwähnt hatte sie, wie sehr sich Richard Strauss für Gustav Mahler und seine Werke einsetze und diesen Unterstützte. Strauss hatte Gustav Mahler drei sehr wichtige Konzerte organisiert, die es Mahler ermöglichten zwei seiner Werke uraufzuführen, nämlich seine Dritte Sinfonie (1902 in Krefeld) und die Sechste Sinfonie (1906 in Essen). Auch in Berlin, wo Strauss damals Chef der Hofoper war liess er die Werke von Mahler erklingen. Jedesmal überliess er das dirigieren der Aufführungen Mahler selber, obwohl Strauss sehr viel Vorarbeit in Form von Proben investiert hatte.

Strauss war auch erschüttert über einige Passagen in den Briefen von Mahler an seine Frau Alma in denen Mahler Strauss einerseits bewunderte, anderseits sein eigenes Schaffen als das bessere darstellte. Das Lesen des Buches erschütterte Richard Strauss zutiefst. Er bezeichnete es als "Dilletantische Halbwelt biographiert. Minderwertigkeitskomplexe." Leider hat Mahler-Werfels Buch bis heute einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Beziehung zwischen Mahler und Strauss, die in der Form, wie sie sie darstellt nicht richtig ist.


In seinen letzten Jahren führten das Ehepaar Strauss ein nomadenhaftes Hotelleben. Vorwiegend in der Schweiz mit Abstechern nach London.

Er komponierte wieder mehr und gleichzeitig schrieb er zahlreiche Briefe um die europäische Kultur wieder zu beleben, auch an viele Musikfunktionäre. Dabei verstrickte er sich zusehends in einen Pessimismus, wie man ihn von ihm nicht kannte. Sein Sohn Franz bat ihn schlussendlich sich wieder dem Komponieren zu zuwenden und das Schreiben der Briefe, die nichts oder nicht viel ändern konnten, sein zu lassen. Nach dem der erste Ärger verfolgen war, ging Strauss wieder zum komponieren über. So entstanden unter anderem "Die vier letzten Lieder", die er dann 1948 an Alice überreichte mit den Worten "Das sind die Lieder, die Dein Mann bestellt h"


Der Tod und Richard Strauss

1949 wurde Strauss 85 Jahre alt. Gallensteine plagten ihn zeitweise, doch den Festsommer seines Geburtstags feierte er mit. In München dirigierte er bei der Generalprobe den Schluss des II.Aktes vom Rosenkavalier, der sonst unter der Leitung von Georg Solti stand.

Es wurde ein biographischer Film über ihn gedreht und er erhielt eine Reihe von Ehrentiteln. Er dirigierte in München noch die Mondscheinmusik aus "Capriccio" für seine filmische Biographie. Es sollte das letzte mal sein, dass er dirigierte. Einen Monat später erlitt Strauss einen Herzinfarkt und er musste das Bett hüten. In der Zeit besuchten ihn immer wieder seine Familie und einige Freunde.

Am 30. August besuchte ihn der einflussreiche Regisseur Rudolf Hartmann. Mit ihm besprach Strauss alles, was die Opern und die Kultur betraf, was ihm wichtig erschien, im sicheren Wissen, dass Hartmann es umsetzten würde. Richard Strauss spürte, dass der Tod nicht mehr weit war.

Am 6. September stieg das Fieber sehr hoch an und Strauss verlor immer wieder das Bewusstsein. Alice kümmerte sich in dieser Zeit liebevoll um ihn und schrieb auch vieles, was Richard in dieser Zeit sagte, für die Nachwelt nieder. Am 8.9.1949 starb Richard Strauss an Nierenversagen.

Strauss blieb bis zuletzt Agnostiker. Er versicherte, dass er keine Angst vor dem Sterben und dem Tod habe und ein erfülltes Leben gelebt habe. Er hielt auch an der Überzeugung fest, dass das Göttliche auf der Erde zu finden sei. In der Kreativität und der Kunst, allgemein im schöpferischen Prozess.

Es war ein Leben für die Kunst und Kultur, das bis in die heutige Zeit nachschwingt.



Ein sehr spätes Werk von Richard Strauss, das ich sehr schätze: Die Malven




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