Bräuche um den 1. August
Heute feiert mein Heimatland, die Schweiz, ihren Nationaltag.
Der 1. August wird, wenn es nicht gerade in Strömen regnet, meistens gemeinsam vor einem Feuer verbracht. Auf jeder Hügelkuppe brennt dann ein meterhohes Feuer, das man aus der Ferne sehen kann. In meiner Kindheit habe ich mit den anderen Kindern und Jugendlichen aus meinem Quartier am Vortag dafür die Äste im Wald gesammelt und es auf "unserer" Feuerstelle zu einem beachtlichen, grossen Holzhaufen aufgeschichtet. Die Häuser werden mit Flaggen der 26 Kantone und der Nationalflagge festlich geschmückt. Oft werden 1. August Weggen gebacken. Sehr helle, süssliches Teigbrötchen, die zum Frühstück des ersten August eingenommen werden. Viele Bauernhöfe laden zum 1. August Brunch ein. Der wird dann oftmals unter den ausladenden Lauben der Bauernhöfen oder auf den Einfahrten der Heubühnen eingenommen.
Am Abend vom ersten August laufen die Kinder mit Lampions zur Feuerstelle hoch. Jede Familie bringt etwas zu Essen und zu Trinken mit. Wenn es dunkel ist, wird das grosse Feuer entfacht. Bald darauf kann man auf den anderen Hügeln und Bergkuppen auch Feuer entdecken. Wenn es ganz dunkel ist wird, sehr zum Leidwesen der Tiere, viel Feuerwerk abgebrannt, das sehr laut knallt. Wobei dieser Brauch aus Umweltgründen weniger wird. Die Stadt Bern verzichtet auf das Feuerwerk auf ihrem Hausberg, dem Gurten, und auch in der Altstadt von Bern ist das Feuerwerk inzwischen verboten.
Jede Gemeinde, jedes Dorf hat seine eigenen Bräuche was den 1. August anbelangt. Mancherorts gibt es festliche Ansprachen, oder die Gemeinde kocht etwas, zum Beispiel eine grosse Gerstensuppe, die gemeinsam gegessen wird.
Wie entstand dieser Feiertag? Ein kleiner, geschichtlicher Exkurs
Der 1. August ist erst seit 1994 ein einheitlicher nationaler Feiertag, was per Volksabstimmung 1993 beschlossen wurde. Bis 1993 hat jeder Kanton den Feiertag anders gehandhabt. In manchen Kantonen wurde der halbe Tag gearbeitet, andernorts der ganze und noch anderswo hatte jeder frei. Durch die Abstimmung wird es nun ganzheitlich geregelt.
Der 1. August wird seit 1891 gefeiert, geht aber angeblich auf 1291 zurück, wo der berühmte "Rütli-Schwur" stattgefunden haben soll, was allerdings nicht belegt ist. Tatsache ist, dass nach dem Tod des deutschen Königs Rudolf I 1291, der berühmteste, erhaltene Bundesbrief zwischen den Urkantonen oder auch Waldstätte genannt, Uri, Schwyz und Unterwalden Anfang August 1291 geschrieben und besiegelt wurde. In diesem Schreiben sichern sich die drei Urkantone gegenseitige Unterstützung zu. Es werden aber weniger Kriegsfragen geklärt als mehr Rechtsfragen, was die Zivil- und Strafrechtlichen Gesetzte anbelangt und wie diese geregelt werden sollen. Es sollte ein Bündnis zur Stabilisierung des Friedens sein.
Tatsache ist, dass unter Rudolf I viele sehr unbeliebte Landvögte eingesetzt wurden, die der Bevölkerung nicht passten und die nach dessen Tod verjagt wurden.
Es sind einige Bundesbriefe erhalten geblieben, der älteste stammt von 1243 und ist ein Bündnis zwischen der Stadt Bern und Stadt Freiburg (CH). Der erste, in deutscher Sprache erhaltene Bundesbrief stammt von 1315 und geht auf die von den Eidgenossen gewonnene "Morgartenschlacht" zurück, die Leopold I von Österreich eine empfindliche Niederlage einbrachte. In diesem Bundesbrief findet sich das Wort "Eidgenossen" schon. Nach diesem Triumph schlossen sich die sogenannten Reichsstätte Luzern, Zürich, Bern, Glarus und Zug den Eidgenossen an. Erst jetzt hatten die Eidgenossen der alten acht Orte, internationale Gewichtung und wurden von den Höfen Europas akzeptiert.
Mit der Zeit schlossen sich immer mehr Länder an und so wuchs die Schweiz Stück für Stück auf die heutige Grösse heran, wenn man so will zu einem Staaten Bund, was sich in der Abkürzung CH widerspiegelt: Confoederation Helvetica auf Latein also Vereinigtes Helvetien. 1815 wurde die Schweizer Grenze, sowohl die Innere, als auch die Äussere, vom Wiener Kongress anerkannt.
1848 wurde die Autonomie der Kantone durch die 1. Bundesverfassung eingeschränkt und die Stadt Bern offiziell zur Bundeshauptstadt erklärt. 1891 wollte die Stadt Bern ihr 700 Jähriges Bestehen feiern und so kam es ihr recht gelegen, dass der besagte Bundesbrief von 1291 vorlag und somit die Eidgenossenschaft gleichzeitig das 600 jährige Bestehen feiern könnte, also wurden die anderen Eidgenossen überzeugt, dass 1291 das Urgründungsjahr der Eidgenossen sei.
Was wäre der 1. August ohne Wilhelm Tell?
Die Legende von Wilhelm Tell kennt hierzulande jedes Kind: Tell, der den Hut vom Landvogt Gessler nicht grüssen wollte und zur Strafe seinem kleinen Sohn mit einem Pfeil seiner Armbrust den Apfel vom Kopf schiessen musste, der trotzdem gefangen genommen wurde und bei einem Unwetter auf dem Vierwaldstättersee fliehen konnte und schlussendlich den bösen Landvogt mit dem 2. Pfeil seiner Armbrust erschossen hat.
Die Sage um den Freiheitskämpfer Tell ist sehr alt und wird um das Gründungsjahr 1291 angesiedelt. Erstmals wurde sie 1472 vom Obwalden Landschreiber Hans Schreiber im weissen Buch von Sarnen festgehalten.
Später verbreitete sie sich über Heimatgeschichten des Universal Gelehrten Meslissantes in Geografiebücher im deutschen Sprachraum und erlangte schließlich durch Friedrich Schillers Drama Wilhelm Tell berühmtheit.
In Uri werden seit 1500 Tellspiele aufgeführt, wobei diese mit quasi improvisierten Texten über die Bühne gingen und an die Comédia dell` Arte erinnerten.
In Interlaken werden jedes Jahr Tell-Freilichtspiele durchgeführt basierend auf dem Text Schillers.
Gerade in der Zeit nach der französischen Revolution, wo das Thema Freiheit, Brüderlichkeit, Gleichheit einen sehr grossen Stellenwert hatte, traf die Thematik um Wilhelm Tell einen Nerv der Gesellschaft, auch gekoppelt mit dem sogenannten "Tyrannenmord" an Gessler.
Es ist nicht belegt, dass Wilhelm Tell wirklich gelebt hat. Es fanden sich keine ähnlichen Namen in den Sterberegister seiner Zeit und wenn, dann handelte es sich um Fälschungen. Auch war kein Mord an einem Landvogt namens Gessler historisch dokumentiert. Trotzdem tat dies dem Mythos "Tell" keinen Abbruch und es liessen sich viele Schriftsteller, Komponisten und Filmemacher davon inspirieren.
Tell in der Literatur, Musik und als Film
So auch Rossini, der mit Wilhelm Tell seine letzte Oper schrieb und gleichzeitig eine Grand Opéra schuf in 4 Akten, die am 3.8.1829 in Paris zur Uraufführung kam. Rossini überarbeitete sie später noch einmal und kürzte sie etwas ein.
Die Ouverture von Rossini Wilhelm Tell ist bis zum heutigen Tag berühmt und wird gerne gespielt.
Vor Rossini hat der belgisch-französische Komponist André-Ernest-Modeste Grétry die Oper 1791 vertont- doch sie fand im Gegensatz zu Rossinis Tell nie derselben Bekanntheit und Beliebtheit.
Nach dem bis heute anhaltenden Opernerfolg von Rossini folgten Anfangs des 20. Jahrhunderts die Verarbeitung mit einem recht neuen Medium: Dem Film.
Das Drama wurde sowohl 1923 verfilmt von Rudolf Dvorsky und Rudolf Walther-Fein als auch von Heinz Paul 1933. Später folgten diverse Hörspiele (1951,1955 und 1958).
1960 folgte der erste Schweizer Film von Wilhelm Tell, gefolgt vom deutschen Fernsehfilm von 1968. In den 1970er Jahren folgten Neufassungen der Tell Sage als Erzählungen und Theaterstück unter anderem von Max Frisch (1971). Seit 2012 gibt es ein Tell-Musical und Hollywood hat sich dem Heldenstoff auch angenommen mit einer Produktion 2011. Allerdings entzieht es sich meinen Kenntnissen, ob der Film nun fertiggestellt wurde oder nicht...
Ob mit oder ohne Hollywood: Tells Popularität hält bis zum heutigen Tag an und gerade um den 1. August herum lebt seine Sage wieder verstärkt auf und wird gerne auch am Abend erzählt, wenn die heutigen Eidgenossen gemeinsam um das 1. Augustfeuer sitzen und ihren alten Nationalfeiertag, der aber vor gar nicht all zu langer Zeit, knapp 30 Jahren offiziell als nationaler Feiertag festgesetzt wurde, feiern.
In dem Sinne: Allen einen schönen 1. August!
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