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Burgdorf, Schweiz

Als die Welt still stand- 5 Jahre nach dem ersten Corona Lockdown

2020

Vor 5 Jahren wurden alle öffentlichen Einrichtungen Stück für Stück geschlossen: Schulen, Kindergärten, Sportstätten, Kultureinrichtungen, Hotels, Restaurants, alle Einkaufsläden, die nicht den täglichen Bedarf abdeckten. Der erste harte Lockdown hatte uns erreicht, nachdem sich eine misteriöse, hochansteckende Krankheit über die Welt ausgebreitet hatte. Aus Italien wurden Bilder gezeigt mit Lastwagen voller Toten, die daran gestorben waren. In Ländern wie der Schweiz und Deutschland wurde die Angst gross, dass bald keine Intensivstationsbetten mehr frei sein könnten, weil die Verlaufe zeigten, dass wer mit Covid 19 auf der Intensivstation lag meistens für 2-3 Wochen dort verbrachte, an Beatmungsgeräten, bevor er oder sie verlegt werden konnte, oder verstarb.


2020 war ein Jahr für mich auf das ich mit Zuversicht schaute. Mein Kalender war mit sehr spannenden, vielen Konzerten und Projekten gefüllt. Die letzten beiden Jahre, die hinter mir lagen, waren sehr anstrengend gewesen mit gesundheitlichen Problemem und vielen Stunden, die ich für mich arbeiten musste um diese Projekte von 2020 überhaupt zu bekommen.

Dann kam der März. Ich weiss noch, dass ich mit einem befreundeten Kantor ein paar Lieder als eine Art Videoprogramm aufgenommen habe, vorsorglich. An dem Tag kam ich mit dem Auto von Karow nach Kreuzberg in einer Rekordzeit von 20 Minuten. Die Strassen waren leergefegt. Kaum Autos, keine Menschen die bei dem schönen Wetter spazierten. Es war gespenstisch. Während unser Arbeit wurde verkündet, dass es einen harten Lockdown geben sollte auf unbestimmte Zeit.

Für mich war das, wie wenn der Boden unter meinen Füssen weggezogen worden wäre: Alles weg, auch finanziell.

Berlin reagierte schnell und gab Soforthilfen bekannt. Auch ich bekam in dieser ersten Welle der Solidarität 5000Euro. Ich legte sie auf mein Sparkonto. Wer wusste schon, ob ich das später nicht zurückzahlen müsste...

Die Regale der Drogriemärkte waren teilweise wie leergefegt: Keine Seifen,(Hat sich niemand vorher mit Seife gewaschen?!) kein Toilettenpapier. Die Menschen machten Panikeinkäufe. Das konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen und stand fassungslos vor den Regalen.




In dieser Zeit begann ich Programmiersprache zu lernen, meine Homepage neu zu gestalten, stellte alles was ich konnte um, unterrichtete online und versuchte so einen Beitrag zu unserer finanziellen Situtation beizusteuern.

Der März und April waren helle, lichtdurchflutete Tage. Jeden Morgen stand ich so 7.30Uhr auf, machte mit meiner kleinen, damals 4 jährigen Tochter so etwas wie Morgenkreis, so dass ich dann üben konnte und Nachmittags stahlen wir uns in die Natur rund um Karow. Eigentlich durften wir einen gewissen Radius um unser Zuhause nicht verlassen, mir war das in dem Moment egal.

Viele Kulturschaffende versuchten sich über Streamingkonzerte oder CD-Produktionen im Gedächtnis des Publikums zu halten, meistens konnten sich das aber auch nur prominete Orchester und Häuser leisten und es bekamen wiederum nur jene KünstlerInnen eine Plattform, die sowieso schon ganz oben waren. Also für alle, die sich einen Weg dorthin suchten: Sehr schwierig. Auch für mich.

Ich versuchte mir als freischaffende Musikerin Gehör zu verschaffen über Blogs, Instagram Beiträge. Gab Interviews bei der 20 Minuten Zeitung in der Schweiz. Sagte damals schon voraus, dass die Auswirkungen für uns MusikerInnen und KünslterInnen viel länger und gravierender sein werden als für viele andere von uns.


2025

Wie Recht sollte ich behalten. Nach fast 2 Jahren durften Kultureinrichtungen ihre Tore unter strengen Auflagen wieder öffnen. Fussball wurde natürlich schon längst wieder gespielt- dort war auch eine ganz andere Lobby am Werke, als bei den Kulturschaffenden. Die Hilfen in Deutschland um diese fast 2 Jahre zu überbrücken war für uns Freiberufliche spärlich und schwer zu bekommen. Inzwischen haben die Meisten von uns die "Hilfen" zurückgezahlt. Es kamen soviele Überprüfungen und wenn die Differenz von 2019 zu 2020 nicht gross genug war, musste man es sowieso zurückzahlen. So auch ich. Was ist das dann für eine "Hilfe"? Ganz ehrlich: Jeder Betrag unter 10000 Euro für 2 Jahre ist lächerlich. Davon kann man nicht wirklich leben.


Die Zeit der Lockdowns hat viele Gewohnheiten sehr geändert und die Menschen auch faul gemacht. Statt ins Kino zu gehen schauen sie lieber Netflix oder einen anderen Streamingdienst. Warum sollen die Menschen so viel für eine Eintrittskarte in die Oper oder ins Konzert zahlen? Während Corona konnten sie viele Produktionen gratis über Streaming sehen. Klar, das ist etwas überspitzt formuliert und dennoch ist da etwas Wahres dran.

Die Häuser können jetzt erst neue Produktionen machen. Erst jetzt beginnt sich der Spielplan zu normalisieren. Doch die Inflation und der durch die Politik verordnete Kahlschlag in der Kultur macht uns allen die Situation schwerer denn je. Die Kürzungen im Kultursektor sind enorm. Das bedeutet, dass immer weniger Gäste an die Häuser kommen können, weil viele Häuser nur noch Teilzeitspielverträge anbieten, manche sogar mit Chorverpflichtung für Solisten!

Einerseits hat die GDBA endlich ein Mindestanfängergehalt/Mindestgage durchsetzten können mit den Folgen, dass nun Häuser fast nur noch Anfänger anstellen, weil die Erfahreneren unter uns für ein Haus zu teuer sind im Verhältnis.

Wenn dieser Trend sich so weiterentwickelt stirbt der Freiberufler langsam aber sicher aus und auch die Theaterlandschaft.


Ich glaube, dass durch Corona und die Entwicklung nach der Pandemie viele Träume gestorben sind, dass viele Menschen ernüchtert sind und auch zu Recht enttäuscht. Gerade in Deutschland war der Lockdown besonders hart und lang. Die Leidtragenden waren nicht zuletzt die Kinder und deren Familien. Meines Erachtens zeigt sich das auch in den aktuellen Wahlen wieder: In der jüngsten Wählergruppe (18-24 jährigen) erziehlten die beiden Randparteien, also aussen Rechts die AfD mit 21% und aussen Links die Linke mit 25% denn grössten Stimmenanteil. Rechnen wir zurück: Diese jungen Menschen waren 2020 13- 19 Jahre alt. Sie haben die Schulschliessung erlebt, wurden aus ihrem Leben ausgesperrt, durften sich nicht mit Freunden treffen, nicht weggehen, konnten nicht reisen etc. Selbst als längst klar war, dass die Kinder und Jugendlichen nicht die Pandemietreiber waren. In meiner Heimat gab es einen harten Lockdown. Danach konnten die Kinder wieder ein weitgehend normales Leben führen mit Schule, Sport, Freunde treffen. Ja, man war natürlich auch dort vorsichtig, aber es hat sich gezeigt, dass es richtig war. Auch einkaufen war bald wieder ganz normal möglich. Nicht so in Deutschland. Es schien, wie wenn die Pandemie und deren Konsquenzen auf dem Rücken der Familien ausgetragen worden wäre. Das macht sehr viel mit jungen Menschen auch gerade im Hinblick auf das Vertrauen in die Politik und Gesellschaft. Ich erinnere mich gut an meine Machtlosigkeit gegenüber der Behörden, als mein Kind nicht in die KiTa gehen durfte nur weil wir nicht "systemerelevant" waren. Wie muss es dann den Jugendlichen ergangen sein?


Corona hat die Spaltung der Gesellschaft enorm beschleunigt und die Auswirkungen beginnen jetzt sich zu zeigen und auch zu entfalten. Alleine wenn ich an die Impfdiskussionen zurückdenke, wo Menschen ausgeschlossen und fast geächtet wurden, wenn sie sich nicht Impfen lassen wollten. Mir blieb gar nichts anderes übrig; wenn ich arbeiten wollte musste ich eine Impfung vorweisen. Bei uns wurde nie über Impfzwang diskutiert, er war einfach da.

Der Lockdown mag gerade in der ersten und zweiten Welle viele Menschenleben gerettet haben, dennoch habe ich das Gefühl auch auf unsere Kosten. Es scheint, dass unser Immunsystem sich nun nach fast 2 Jahren mit wenig Training neu orientieren muss. Ärtze erzählen mir, dass Erkältungen nicht mehr in einer Woche bis 10 Tage vorbei sind, sondern oftmals frühstens nach 3 Wochen. Wohlgemerkt: Erkältungen wie Schnupfen und Husten, nicht Grippe oder Ähnliches.


Dennoch hatte Corona auch sein Gutes: Es schenkte uns Zeit mit unsere Familie. Es gab uns die Möglichkeit viele Projekte zu realisieren, die wir so nicht hätten machen können. Meine CD von Hindemiths Marienleben wäre ohne Corona nicht Zustande gekommen. Danke nochmals an Alle, die mir geholfen haben, dieses Projekt auch finanziell zu stemmen!

Ich habe viele wertvolle Menschen kennenlernen dürfen mit denen ich bis heute berfreundet bin, gerade in den Produktionen nach Corona. Für diese Feundschaften bin ich sehr dankbar.

Corona hat mich zu einer Kämpferin für mein Leben gemacht und ich bin stärker daraus hervorgegangen, weil ich meine Komfortzone verlassen musste. Mein Blick auf meinen Beruf aber auch die Gesellschaft sind realistisch geworden und nicht mehr idealistisch. Das ist oft ernüchternd. Der rosa Schleier ist gefallen. Die Realität ist manchmal sehr trocken und brutal.


Corona hat viele von uns verändert und wahrscheinlich ist das auch wichtig und richtig, damit wir uns den Herausforderungen die auf uns zu kommen gerade hier in Europa auch stellen können. Die Gesellschaft ist in einem starken Wandel mit ungewisser Zukunft. Die sicheren Zeiten sind vorbei. Das, was die Generationen vor uns nach dem Krieg aufgebaut haben scheint nun Stück für Stück in sich zusammen zu fallen: Die Werte der Gesellschaft, die Kultur, unser Wohlstand. Wir alle werden immer mehr aus unser Komfortzone heraus gezwungen und müssen unsere Gürtel enger schnallen und für unser Leben und dasein einstehen und kämpfen. Es sind unruhige Zeiten, denen wir entgegen blicken. Doch das Positive ist, alles geht irgendwann mal vorbei. Entwicklung war immer und ist es bis heute: Eine Welle. Mal schwappt sie 5 Meter in den Strand hinein um sich dann wieder 3 Meter zurück ins Meer zu ziehen und erneut mit Kraft und Schwung sich nach vorne an den Strand zu spühlen...Zur Zeit scheinen wir uns in einer Rückzugsphase zu befinden. Hoffen wir, dass die Entwicklung und Kraft nicht lange auf sich warten lassen...





 
 
 

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