Hauskonzerte gibt es schon sehr lange und haben eine lange Geschichte und Tradition. Angefangen im Mittelalter bei den jeweiligen Adelsfamilien, denen Musiker:innen ihre Kunst als Konzerte darboten und dafür Geschenke und/oder Geld erhielten und oftmals Weiterempfehungen an andere Höfe und sich so ein wichtiges, gesellschaftliches Netzwerk aufbauen konnten.
Jemand, der so durch ganz Europa getourt ist und viel Geld verdient hat, war Wolfgang Amadeus Mozart. Er und seine ebenfalls sehr begabte Schwester Nannerl wurden von ihrem Vater an allen bedeutenden Höfen Europas vorgeführt als Wunderkinder.
Mit den Hof- und Hauskonzerten erreichte die Familie Mozart sehr grosse Anerkennung in den Adelskreisen und die gesellschaftlichen Türen öffneten sich für die Familie.
Es konnten sehr gute und wichtige Beziehungen geknüpft werden, was in der damaligen Zeit genauso wichtig war wie heute.
Später in der Geschichte waren die Hauskonzerte bei Fanny Hensel geborene Mendelssohn hier in Berlin äusserst populär. Hier traf sich zu den Sonntagsmusiken das "who is who" der damaligen Gesellschaft von Künstlern, Schriftstellern, Musikern. So ist es nicht erstaunlich, dass Clara Schumann, damals noch Wieck, auf ihren zahlreichen, von ihrem Vater organisierten Konzertreisen auch bei Fanny Hensel zu Gast war.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert verloren die Hauskonzerte mit dem aufkommen von großen Konzerträumen etwas an Bedeutung und Popularität.
Anfang des 20. Jahrhunderts besann man sich wieder auf die Hausmusiken und nun im 21. Jahrhundert erfahren sie in vielerlei Hinsicht eine Renaissance.
Hauskonzerte stehen im reinen Gegensatz zu grossen Konzertveranstaltungen wie in der Philharmonie Berlin, die über 2000 Zuhörer fasst zu normalen Zeiten oder noch krasser gestaltet sich der Gegensatz in der Popmusik, wo über 20.000 Zuhörer:innen in ein Stadion passen. Jetzt wo endlich wieder live Musik in bescheidenem Rahmen möglich ist boomen die Hauskonzerte gerade zu.
Hauskonzerte finden in einem intimen und persönlichen Rahmen statt. Der Gastgeber lädt die Zuhörer:innen persönlich ein. Manchmal finden die Hauskonzerte in der Stube statt, manchmal in einem Hinterhof, oder im Garten.
Oftmals werden von den Gastgebern Snacks zubereitet und Getränke gereicht. Nach den Hauskonzerten bieten sich viele interessante und spannende Gespräche auch mit den Künstlern selber an.
So auch an dem Hauskonzert letzten Samstag, das ich als Künstlerin mitgestalten durfte.
Bereits im November haben der Komponist Andreas Staffel und ich ein Hölderlin-Konzert konzipiert und zur Aufführung gebracht. Es war das letzte mögliche Konzert vor dem 2. Lockdown hier in Deutschland, der für uns Künstler bis und mit Juni dieses Jahres anhalten sollte.
Es lag eine gewisse Schwere über diesem düsteren, regnerischen Abend und die Aussicht auf einen weiteren Lockdown trug wenig zur Besserung der Stimmung bei.
Die Hölderlin-Vertonungen von Ullmann, Briten und Staffel sind sehr unterschiedlich.
Bei Victor Ullmann sind es mit von den letzten Vertonungen überhaupt bevor dieser grossartige Künstler, wie viele andere Schicksalsgenossen, von den Nazis deportiert und vergast wurde.
In diesen Liedern schwebt eine Vorahnung des bevorstehenden Schicksals mit...
Brittens Vertonungen sind dagegen wesentlich heiterer und beschwingter und haben viel Eleganz.
Staffels Kompositionen sind modern und doch tonlich immer wieder gebunden mit interessanten, fast spielerischen Aspekten. Der Stimme wird einiges an Akrobatik abverlangt.
Alle drei Komponisten fordern viel von ihren Interpreten.
Wir wollten ursprünglich diesen Liederabend im Anschluss bei Stefan Hein aufführen. Doch dazu kam es nicht durch den besagten 2. Lockdown.
Stefan ist ein grosser Kunst- und Musikliebhaber und er hält sein Wort. So war es für ihn selbstverständlich, dass dieses Liedrecital nachgeholt werden würde, sobald es möglich wäre.
Das war nun am letzten Samstag der Fall. Auch das Wetter spielte in diesem unbeständigen Sommer mit. Es war sonnig und warm.
Ich traf aufgrund von Stau eine halbe Stunde später als geplant ein. Andreas aufgrund eines Notarzteinsatzes eine Stunde später...
Zum Glück hatten wir genügend Zeit eingeplant. Wir machten gemeinsam ein gründliches Anspiel. Das war für Andreas wichtig, weil jedes Instrument seine eigenen Eigenschaften hat und sich ein Pianist erst mal daran gewöhnen muss. Kann ja nicht jeder mit seinem persönlichen Flügel reisen, wie mancher Starpianist das zu tun pflegt.
Nach 30 Minuten verabschiedete ich mich und machte einen Spaziergang zum Heiligensee. Es war herrlich und erfrischend etwas schwimmen zu gehen. Gegen 17.15Uhr war ich wieder zurück und die ersten des Publikums trafen ein. Um kurz nach 18Uhr begann das Konzert. Die Fenster des Wohnraums standen offen, die Leute sassen im Garten unter den alten, schattigen Bäumen, deren Blätter sanft vom Wind gewiegt wurden. Irgendwo in einem der alten Bäume hat ein Bussardpaar ein Nest gebaut und der Nachwuchs verlangte lautstark nach Futter...da war der "Kinderchor" von Bad Saarow ruhig dagegen. ;)
Der Flügel war geöffnet. So kam der Klang wie durch einen Trichter nach draussen zu den Zuhörer:innen. Das Publikum bestand aus etwa 25-30 kulturinteressierten Menschen, die sehr aufmerksam unserem Konzert lauschten. Zwischen den einzelnen Zyklen sagten Andreas und ich noch kurz etwas zu den Komponisten und Werken. Es war eine entspannte Atmosphäre trotz Konzentration, die diese Art der Literatur erfordert.
Nach dem Konzert gab es liebevoll gemachte belegte Brote, Wein, Wasser und viele interessante Gespräche. Das ist nicht immer selbstverständlich.
Manchmal können die Gespräche auf Empfängen, Premierenfeiern oder nach Konzerten auch mühsam sein, wenn die Menschen glauben, dass sie mit den Künstlern unbedingt fachsimpeln müssen, vor allem, wenn man merkt, dass derjenige ein grosses Halbwissen besitzt und sich dessen nicht bewusst ist.
Viele Menschen glauben, dass ein Musiker nach einem gelungenen Konzert voller Energie und beseelt ist. Beseelt sind wir in der Tat auch, aber meistens sind wir nach Konzerten erst mal noch voll Adrenalin und wenn das Adrenalin abfällt einfach müde. Manchmal stellt sich auch eine gewisse Leere ein, bei mir meistens, je nach Belastungsgrad, erst am nächsten Tag. Oft braucht es eine Weile bis sich diese Leere wieder auffüllt.
Bei Stefan Hein waren viele nette und interessante Menschen da.
Ich unterhielt mich mit einem Kinderpsychologen und später mit einem Schweizer Literaturprofessor mit dem Spezialgebiet Jean Paul und noch vielen anderen. Es waren anregende Gespräche und interessante Gespräche die mir viele neue Erkenntnisse brachten.
Kurz es war ein sehr schönes und angenehmes Erlebnis und ich hoffe sehr, dass ich nicht das letzte Mal bei Stefan Hein zu Gast sein durfte!
Danke für Eure Einladung, lieber Stefan und liebe Astrid!
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